Crowdworking im Test: Wie ist die Text-Qualität?
31. Mai 2015
Crowdworking-Portale versprechen TextarbeiterInnen einfaches Arbeiten, viele Aufträge und leicht verdientes Geld. Auftraggeber sollen schnell und einfach hochwertige Texte erhalten. Das gepflegte Wort machte den Test: Wie gut sind diese massenhaft erstellten Texte wirklich?
„Nachdem ich gesehen habe, was du für meine Bekannte geleistet hast, ist es sicher besser, keine Texte bei einem Crowdworking-Dienst zu bestellen.“ Dieses Lob bekam ich neulich von einem Bekannten, der mir den besagten Auftrag vermittelt hatte und nun seinerseits mein Kunde wurde. Dieses Lob und sein Auftrag haben mich natürlich sehr gefreut – und mich dazu inspiriert, mich mit diesen Diensten zu beschäftigen.
Crowdworking oder Crowdsourcing wird dieses Phänomen des digitalen Zeitalters genannt. Dabei stellen Firmen Aufträge wie – zum Beispiel, aber nicht nur – Texterstellung in ein solches Portal ein. Dieses leitet die Aufträge an die dort registrierten Crowdworker weiter. Wer sich dafür meldet und ggf. bestimmte erforderliche Kriterien erfüllt, erhält den Auftrag.
Ich habe mich auf diversen Portalen umgesehen, die Textdienstleistungen wie Texterstellung, Lektorat und Übersetzung im Angebot haben. Schreiber werden hier umworben: Produktbeschreibungen, Blog-Artikel und andere – mehr oder weniger – kurze Texte seien schnell geschrieben, das Geld leicht verdient. Es sei sogar möglich, sich hochzuarbeiten – wer gute Beurteilungen der Kunden bekommt, steige auf und verdiene mehr pro Wort. Außerdem sei die Arbeit flexibel und werde ganze einfach am heimischen Rechner erledigt.
Sogar große Firmen werden als Kunden aufgeführt. Das liest sich auf den ersten Blick alles gut. Doch einiges fällt bei näherer Betrachtung auf: Viele dieser Portale sprechen vor allem Studierende, Hausfrauen oder „Hobby-Lektoren“ (was auch immer das sein soll) direkt an. Schon das sollte jeden stutzig machen.
Grundlagen des Textens missachtet
Da ich neugierig war, welche Text-Qualität man in Crowdworking-Portalen erhält, habe ich die Probe aufs Exempel gemacht: Ich meldete mich bei einem als Kundin an, erdachte mir eine Aufgabe – einen Blog-Artikel zum Thema Social Media – und gab diesen in Auftrag. Als gewünschte Qualität des Schreibers wählte ich die zweithöchste – die natürlich auch entsprechend mehr kostete. Mit Spannung erwartete ich den Text.
Zunächst das Positive: Der Text wurde pünktlich geliefert, und die formalen Kriterien wie Länge und verwendete Keywords waren eingehalten. Beim ersten Lesen war der Blog-Artikel nicht schlecht. Doch bei näherer Betrachtung fielen die Schwächen auf:
- zu lange Sätze – was schon in Print-Publikationen nicht ideal ist, ist für Online-Texte wie eben Blog-Artikel ein No-Go.
- ein paar verschachtelte Sätze
- zu viele und leicht vermeidbare Substantivierungen – dabei ist in wirklich jeder Anleitung fürs professionelle Schreiben (ob journalistisch oder werblich) zu lesen, dass das kein schöner Stil ist.
- ein paar Tippfehler
Natürlich ist dieses eine Beispiel nicht repräsentativ. Doch würde ich bei der zweithöchsten Kategorie erwarten, dass wenigstens Grundlagen wie die Genannten bekannt sind und beachtet werden.
Andererseits weiß ich natürlich, was der Autor dafür bekommen hat: rund 21,50 Euro, für knapp 2000 Wörter. Also etwa ein Cent pro Wort. Hinzu kam (für mich) die Provision für das Crowdworking-Portal von 35 Prozent der Auftragshöhe.
Für diesen Preis kann man wohl einfach nicht mehr erwarten. Wer für diesen Wortpreis arbeitet, dem ist es kaum möglich, professionelle und individuelle Texte zu liefern.
Lest im nächsten Teil: Warum für professionellen Text zahlen?
Links zum Thema:
http://mmm.verdi.de/archiv/2014/01/tarife-beruf/01-2014/das-anonyme-heer-der-schreibsklaven
http://www.zeit.de/2014/47/crowdsourcing-freelancer-digital-arbeitsmarkt
[…] Der erste Teil des Artikels: Crowdworking im Test: Wie ist die Text-Qualität? […]