Keine „Goldene Lisa“ für das beste Lektorat

Kein Preis fürs Lektorat: Woran erkennt man eine gute Lektorin/einen guten Lektor?

Es ist Ende April 2023 und die Leipziger Buchmesse findet endlich wieder statt. Kurz davor las ich über Twitter einen Aufruf von Huberta Weigl von der Schreibwerkstatt. Sie suchte Beiträge von Lektorinnen und Lektoren zu der Frage: Ist ein Text nach dem Lektorat fehlerfrei? Gern steuerte ich meine Gedanken dazu bei. Und ließ mich zu dem folgenden Text inspirieren, in dem ich frage: Warum gibt es keinen Preis für das beste Lektorat? 

Der Preis der Leipziger Buchmesse konnte dieses Jahr endlich wieder live und vor Ort verliehen werden. Das Besondere, verglichen mit anderen Preisen: Nicht nur Belletristik-Autor*innen erhalten die Auszeichnung, sondern auch die Bereiche Sachbuch/Essayistik und Übersetzung finden eine angemessene Würdigung.

Trotzdem verspüre ich ein Grummeln in mir.

Preisfrage: Warum gibt es unzählige Preise für Autor*innen, Übersetzer*innen und Absolvent*innen – und keinen einzigen für (freie oder angestellte) Lektor*innen?

Was meinen Sie?

Weil Lektor*innen keine preiswürdige Arbeit leisten?

Fehler im Lektorat: Woran erkennt man eine gute Lektorin/einen guten Lektor? DÖÖÖÖÖÖÖÖÖT

Weil gute Autor*innen (Texter*innen, Redakteur*innen, Influencer*innen …) kein Lektorat brauchen – schon gar kein professionelles?

Fehler im Lektorat: Woran erkennt man eine gute Lektorin/einen guten Lektor?DÖÖÖÖÖÖÖÖÖT DÖÖÖÖÖÖÖÖÖT

Weil es halt keine guten Lektor*innen gibt?

Fehler im Lektorat: Woran erkennt man eine gute Lektorin/einen guten Lektor?DÖÖÖÖÖÖÖÖÖT DÖÖÖÖÖÖÖÖÖT DÖÖÖÖÖÖÖÖÖT

Bitte nicht falsch verstehen: Ich gönne allen Ausgezeichneten von Herzen ihren Preis! Und freue mich sehr, wenn die Sprachkunst die Anerkennung erhält, die ihr meiner Meinung nach gebührt. Das auch durchaus finanziell – wofür die ausgezeichnete freie Literaturübersetzerin Johanna Schwering im Interview mit dem eigenen Auftraggeber klare Worte findet.

Wie künstlerische Arbeit bewerten?

Erinnern Sie sich an die Zeiten, in denen im Literarischen Quartett die Fetzen zwischen Marcel Reich-Ranicki und den drei anderen geflogen sind? Das zeigt: Kunst zu bewerten ist schwierig und kann nur nach wenigen objektiven Kriterien ablaufen. Genauer gesagt: Die Bewertung dessen, was am Ende eines künstlerischen Prozesses steht, der Öffentlichkeit präsentiert und Reich-Ranickis Nachfolger*innen zum Verriss vorgeworfen wird.

Welche Arbeit in einem Buch, einem Internettext, einer Abschlussarbeit steckt – dürfte dagegen kaum ein Kriterium für die Bewertung sein.

Die Arbeit, die nur durch Fehler auffällt

Das Geschrei ist allerdings groß – zum Beispiel in Amazon-Rezensionen – wenn ein Buch nicht völlig fehlerfrei ist. Womöglich hat das Manuskript gar nicht erst ein (professionelles) Lektorat durchlaufen. Doch selbst dann kann niemand hundertprozentige Fehlerfreiheit garantieren, wie ich mit zwei anderen Lektor*innen in dem besagten Blogparade-Artikel der Schreibwerkstatt beleuchte.

Anders gesagt: Wenn ein Buch oder Internettext (nahezu) fehlerfrei ist, fällt nicht (mehr) auf, dass eine Lektorin ihre Hände im Spiel hatte. Was also ist gutes Lektorat?

Womit wir beim Casus knacksus wären: Kein Manuskript, kein Exposé hat je den Weg zu einem Jurymitglied gefunden. Der reine Prozess – von der ersten Idee bis zum Buch – ist nicht preiswürdig – ganz egal, wie viel Zeit, Herzblut, Gespräche das Entwerfen, Schreiben, Lektorieren und Publizieren gekostet hat.

Lektorat: Zur Geheimhaltung verpflichtet

Wir freien Lektor*innen sind diejenigen, die diese Texte – bestenfalls – vor Veröffentlichung in die Hände bzw. auf den Computerbildschirm bekommen. Was für eine Ehre, dass uns so viel Vertrauen geschenkt wird! Gleichzeitig sind wir meistens vertraglich (!) zur Geheimhaltung verpflichtet. Auf dass bloß niemals nach außen dringe, mit welch krummen Sätzen und schiefem Plot der gefeierte Bestseller-Autor einst angefangen hat …

Ist es peinlich, eine freie Lektorin zu beauftragen?

Dabei muss es doch niemandem unangenehm sein, ein professionelles Lektorat in Anspruch zu nehmen. Ganz im Gegenteil spricht das für einen hohen Anspruch der Autor*innen. Nicht zuletzt hat auch die Leserschaft etwas davon – nämlich Bücher, die Spaß machen zu lesen. Das schließt eine (gewisse) Fehlerfreiheit ein. Ein gutes Lektorat geht jedoch weit darüber hinaus.

By the way – auch Übersetzungen aller Art werden hoffentlich professionell lektoriert, bevor sie in Form von Büchern, Webseiten oder Gebrauchsanleitungen (!) auf die Menschheit losgelassen werden.

Das Universalgenie kann’s halt

Noch immer schaue ich in erstaunte Gesichter, wenn ich erzähle, dass jedes Buch – egal, ob auf dem Cover Nina George, Sebastian Fitzek oder „Ms. Nobody“ steht – professionell und wahrscheinlich mehr als einmal lektoriert worden ist. Und das auch unabhängig davon, ob die Namen der freien Lektorinnen und Lektoren im Impressum verzeichnet sind – doch das ist eine andere Geschichte.

Nina George Lektorat ins Impressum

Sebastian Fitzek gute Lektorin guter Lektor

Und so hält sich der Mythos vom Universalgenie weiter. Der besagt: Wer Autor*in (oder Übersetzer*in) ist, kann immer, überall und alles perfekt schreiben. Ergo: Die Buchstaben fließen aus dem genialen Kopf über die Finger und Tastatur in ein auf Anhieb inhaltlich wie formal geniales Werk, das die Druckerei nur noch mal eben drucken muss.

Joa. Merken Sie selbst, oder?

Da wir freien Lektorinnen und Lektoren stets im Hintergrund schaffen und außerdem unsere Arbeit nicht zeigen dürfen (geheim! geheim!), werden wir keiner Jury klarmachen können, welchen Anteil das professionelle Lektorat am (gefeierten) Endprodukt hat. So bleibt uns nur (sofern wir nicht zu bescheiden dafür sind!), davon zu träumen, dass auf einer glamourösen Gala unser Name fällt, wir auf die Bühne wanken, Worte des Dankes stammeln – „ich habe doch gar keine Rede vorbereitet!“ – und stolz die „Goldene Lisa für das beste Lektorat“ in die Höhe strecken.

Auszeichnung fürs gute Lektorat

Doch Moment – es gibt sie, die Auszeichnungen, die Dankesworte fürs freie Lektorat. Nicht auf der großen Bühne in Leipzig, Klagenfurt oder Frankfurt. Und ohne goldene Statue. Trotzdem sehr wertvoll für jede*n Freiberufler*in.

Es sind die Worte unserer Kundschaft. Die zu schätzen weiß, was sie an uns und unserer professionellen Arbeit hat. Darunter nicht zuletzt: Autor*innen.

Also stöbere ich durch die vielen Auszeichnungen meiner Kundschaft – und bin ob der vielen lobenden Worte wieder versöhnlich gestimmt. Wer braucht da noch die große Bühne?

Lesen Sie selbst, was für meine Kundschaft eine gute Lektorin und Texterin ausmacht.

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Blogparade: Ist ein Text nach dem Lektorat fehlerfrei? – mit Beiträgen von Philipp Hartmann, Julia Schoch-Daub und mir.

Preis der Leipziger Buchmesse: Meine VFLL-Kollegin Johanna Schwering hat den Preis für die beste Übersetzung geholt. Einen dicken Applaus und Vorhang auf für sie im VFLL-Blog!

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Wer macht ein Buch?

Raus aus der Unsichtbarkeit!

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