Bedingungsloses Grundeinkommen: Was würde schlimmstenfalls passieren? Und bestenfalls?

Das gepflegte Wort - Texte Lektorat PR Köln Bedingungsloses Grundeinkommen

Bedingungsloses Grundeinkommen: Was würde schlimmstenfalls passieren? Und bestenfalls?

Endspurt: Am 18. September verlost der Verein „Mein Grundeinkommen“ die ersten bedingungslosen Grundeinkommen (BGE). Schon mehr als 20.000 Menschen äußern sich dazu, wie ein BGE ihr Leben ändern würde: „Mit weniger Sorgen genau so weiterleben“, „mehr Zeit mit Freunden und Familie verbringen“, „meine Selbstständigkeit vorantreiben“, „entspannter sein“.

Mein vorheriger Blog-Artikel zum Thema (https://dasgepflegtewort.de/bedingungsloses-grundeinkommen-was-waere-wenn) stellte die Idee des BGE und die Initiative „Mein Grundeinkommen“ vor. Nun geht es etwas mehr ins Eingemachte – mit meinen Überlegungen zum Thema, welche negativen und positiven Auswirkungen ein BGE haben könnte:

Was sind die Nachteile? Was könnte schlimmstenfalls passieren, wenn das BGE eingeführt würde?

  • Wenn sich alle auf der faulen Haus ausruhen, können nicht mehr alle Arbeitsstellen besetzt werden.
  • Der Fachkräftemangel würde sich verstärken.
  • Aber auch und gerade Jobs für gering Qualifizierte könnten nicht mehr besetzt werden.
  • Niedriglohnsektoren, allen voran soziale Dienstleistungen, würden endgültig zusammenbrechen, weil sich erstrecht niemand mehr findet, der dort für wenig Geld viel arbeitet.
  • In der Folge könnte die Wirtschaft ins Stocken geraten, weil weniger produziert wird.
  • Oder es würde noch mehr in Billiglohnländern produziert, mit den bekannten Auswirkungen auf Menschen, Tiere und Umwelt.
  • Diejenigen, die trotzdem noch arbeiten gehen wollen (oder müssen), haben eine schlechtere Position, was Gehaltsverhandlungen, Status etc. angeht, da die (Lohn-)Arbeitgeber argumentieren, dass ja niemand arbeiten gehen müsse.
  • Wenn das BGE nur in einem Land allein eingeführt würde (was ich nicht für sinnvoll halte), könnte Migration aus anderen Ländern die Folge sein. Um das zu verhindern, müsste der Empfängerkreis beschränkt werden auf die BürgerInnen des Landes. Was wahrscheinlich in der heutigen EU-Gesetzgebung nur schwer möglich und außerdem wenig solidarisch wäre.
  • Das BGE kostet natürlich eine Menge. Mögliche Finanzierungswege, etwa über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, gingen zulasten der EmpfängerInnen und würden es wieder schwieriger machen, von z. B. 1000 Euro im Monat zu leben.
  • Kaufkraft, Preise und Mieten sind in Deutschland regional sehr unterschiedlich (erstrecht in der gesamten EU). Es stellt sich die Frage, ob ein einheitliches BGE gerecht wäre.
  • Da das BGE jeder in gleicher Höhe von Geburt an erhält, könnten Paare auf die Idee kommen, nur deshalb Kinder zu zeugen. Das würde schon an Kindesmissbrauch grenzen.

Ich habe wirklich versucht, mehr Nachteile zu finden, es ist mir aber nicht gelungen. Vielleicht wenigstens noch eine negativ angehauchte Anmerkung: Wie gesagt halte ich das BGE nur für sinnvoll, wenn es in mehreren Ländern gleichzeitig eingeführt wird – etwa EU-weit. Das würde aber noch länger dauern, falls es je so weit käme.

Was wären die Vorteile? Was könnte bestenfalls passieren?

  • Keine Arbeitslosigkeit mehr – da es weniger Menschen gibt, die sich für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen beziehungsweise mehr Teilzeitarbeit. Nach einem radikaleren BGE-Modell wäre die ganze Arbeitsverwaltung überflüssig und würde abgeschafft – der Philosophie folgend, dass Erwerbsarbeit, wie wir sie heute kennen, kein Zwang ist. Das würde einige Milliärdchen Einsparung ausmachen, die wiederum zur Finanzierung des BGE beitragen könnten. Die Hartz-IV-Verwaltung wäre sowieso überflüssig.
  • Wer trotzdem einer Erwerbsarbeit nachgehen will/muss, wird mit höherer Wahrscheinlichkeit eine finden.
  • Wäre es wirklich so schlimm, wenn das Wirtschaftswachstum sich verlangsamte? Brauchen wir jedes Jahr ein neues Smartphone, alle zwei Jahre ein noch flacheres TV-Gerät? Das Ende des „Immer höher, schneller, weiter“ könnte auch eine Chance sein, uns auf das Wesentliche zu besinnen. Was nicht nur für uns, und unseren Geldbeutel und unsere Achtsamkeit gut wäre, sondern auch für die Umwelt.
  • Die Wirtschaft wäre noch mehr angewiesen auf wirklich innovative Produkte (und nicht nur das 5. iPhone …), damit diese noch gekauft werden.
  • Innovation und ErfinderInnengeist sind das Pfund, mit dem gerade die westlichen Länder wuchern können.
  • Neue Ideen und Erfindungen, die vielleicht sogar dem in einer BGE-Gesellschaft verbreitetere Paradigma von Bewusstsein und Achtsamkeit folgen, fänden unter wählerischer gewordenen Menschen eher KäuferInnen.
  • Also würde es um die Wirtschaft vielleicht gar nicht schlechter gestellt sein. Vielmehr würde sie sich mehr auf Innovation, Qualität und Nachhaltigkeit ausrichten.
  • Die Arbeitswelt würde sich bestenfalls radikal ändern:
    • Diejenigen, die noch einer Erwerbsarbeit nachkommen wollen (oder müssen), müssten besser bezahlt werden, da es nicht mehr so viele von ihnen gibt. Damit würden sich gleichzeitig Diskussionen um Mindestlohn und Tarifauseinandersetzungen von selbst erledigen. Blöd für die Gewerkschaften und PolitikerInnen, die sich mit solchen Maßnahmen brüsten, gut für die ArbeitnehmerInnen (ANs).
    • ANs wären in einer anderen, gestärkten Position, da sie „Mangelware“ sind und da die ArbeitgeberInnen ihnen einiges bieten müssten, damit sie dem Unternehmen mit ihrer Lohnarbeitsleistung treu bleiben. Individuelle Forderungen nach z. B. wirklich flexibler Arbeitszeit (abseits des 20-, 30-, 40-Wochenstunden-Paradigmas) könnten durchgesetzt werden.
    • Das gesamte Arbeitsumfeld wäre positiver, die Lohnarbeit bereitete (noch) mehr Freude.
    • Glückliche ANs sind produktiver, was wiederum den Unternehmen nützt.
    • die Eigenverantwortlichkeit der ArbeitnehmerInnen würde gestärkt und gleichzeitig ihre Verhandlungsposition – beides Voraussetzungen für eine Lebensgestaltung nach individuellen Wünschen und damit letztlich für mehr persönliches Glück.
    • Die kostenlose Arbeit, die es heute schon gibt (allen voran Erziehungs- und Haushaltsarbeit) würde aufgewertet, da mehr Menschen Zeit dafür hätten und da sich die Einstellung zur Erwerbsarbeit, wie wir sie heute haben, ändern würde.
    • Denn: Arbeit wäre nicht mehr nur das, was wir gegen Geld tun. Auch ehrenamtliches Engagement würde – neben Erziehungs- und Haushaltsarbeit – dazu zählen, wenn mehr Menschen diese ausüben würden und wenn eine Erwerbsarbeit im heutigen Sinne und der derzeitigen Form nicht mehr nötig wäre.
    • Wenn sich mehr Menschen ehrenamtlich engagierten, wäre dies ein Gewinn für die ganze Gesellschaft und auch eine Art Gegenleistung für das BGE. Dies könnte auch eine Lösung sein für die fehlenden Arbeitskräfte im sozialen Bereich.
  • Positive Auswirkungen des BGE auf Familien (und die Geburtenrate):
    • da es die 1000 Euro monatlich ab der Geburt des Kindes gäbe (mehr als das heutige Kindergeld, wobei Geld natürlich nicht alles ist)
    • da die Betreuungssituation dadurch entspannt würde, dass die Arbeit flexibler würde – und zwar für alle Geschlechter und Arbeitsstellen
    • dadurch auf längere Sicht Entspannung des Problems des Arbeitskräftemangels
    • Kinder wären nicht mehr länger das Armutsrisiko Nr. 1
    • Kinder aus heute ärmlichen Verhältnissen könnten am sozialen und kulturellen Leben teilnehmen
  • Menschen, die mit dem BGE mehr als genügend Geld haben (etwa, weil sie vermögend sind und/oder einen lukrativen Job haben, in dem sie weiterarbeiten wollen), könnten auf die Idee kommen, dieses zu Spenden oder in andere Projekte (z. B. für Innovationsförderung, aber auch neueste Entwicklungen wie Crowdfunding) zu investieren.
  • Heute schon strukturschwache Regionen bzw. die Menschen, die dort leben, würden vom BGE überdurchschnittlich profitieren.

Was wirklich passieren würde, könnte man wohl nur in der Praxis sehen. Darauf zielt das Projekt „Mein Grundeinkommen“ ab. Dahinter steht Michael Bohmeyer mit seinem Verein „Mein Grundeinkommen“. Der 29-jährige Bohmeyer bezieht selbst eine Art Grundeinkommen, das er aus früheren Investitionen hat und das ihm ermögliche, „vieles in Frage zu stellen, neue Ideen zu entwickeln und ein bewussteres und gesünderes Leben zu führen“, wie er auf Startnext.de schreibt.

Die Links zum Projekt:

www.startnext.de/mein-grundeinkommen

www.mein-grundeinkommen.de/start

Bild: Mehr Zeit für Freunde und Familie und insgesamt ein entspannteres Leben durch das Bedingungslose Grundeinkommen? (Lupo/pixelio.de)

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2 thoughts on “Bedingungsloses Grundeinkommen: Was würde schlimmstenfalls passieren? Und bestenfalls?

    • Thomas
      Juni 18, 2015 at 10:39 AM

      Die Meinungen zu diesem Thema gehen ja immer noch sehr weit auseinander. Sicherlich bringt eine solche Veränderung seine Vor- und Nachteile, aber in erster Linie würde es vielen Menschen endlich wieder mehr Lebensqualität bieten. Alleiin dies ist schon ein Grund, um das Thema nicht einfach beiseite zu schieben.

      • IngaB
        Juni 18, 2015 at 05:21 PM

        Vielen Dank für diesen Kommentar! Ja, das ist kein einfaches Thema. Jedoch ist die Diskussion spannend, und wer weiß, was sich da in der Zukunft vielleicht tun wird.

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